In vielen Kinderzimmern und Haushalten ist es Gang und Gäbe, einem Kaninchen ein Meerschweinchen als "Spielgefährten" dazuzusetzen, und selbst einige Bücher loben diese Konstellation. Doch heutzutage setzt ein Umdenken ein, und muss es auch, wenn man sich bewusst macht, wie verschieden diese Tiere eigentlich sind.
Heimtierbesitzer, die Tiere in der Kombination ein Meerschweinchen / ein Kaninchen halten, bringen oft das Argument hervor: "MEINE verstehen sich aber prima, sie kuscheln sogar und betreiben Fellpflege, die lieben den anderen!"
Dass dies aus einer Zweckgemeinschaft und Einsamkeit heraus entstehen MUSS, und sich die Tiere im Grunde genommen gar nichts zu sagen haben, im Gegenteil, trotz augenscheinlicher Eintracht sogar Stress zufügen, möchte ich im Folgenden näher erläutern und begründen.
In der Natur würden
sie sich niemals begegnen; sie stammen von unterschiedlichen Kontinenten.
Erst mit den Spaniern gelangten Meerschweinchen von Südamerika auch nach
Europa, um zu Heimtieren zu avancieren.
Sie gehören nicht derselben Tiergattung an: Meerschweine sind den
Nagetieren, Kaninchen den Hasenartigen zuzuordnen.
Ihre Lebensweisen
in freier Wildbahn unterscheiden sich drastisch voneinander: Kaninchen bauen
Höhlen, in denen sie am Tage, wenn sie ihre natürliche Ruhephase haben,
schlafen.
Meerschweinchen finden hingegen Unterschlupf, indem sie sich in dicht bewachsenem
Gebiet verbergen, aber niemals Höhlen bauen, hauptsächlich tagaktiv
sind und ansonsten zu unregelmässigen Zeiten ruhen oder unternehmungslustig
sind.
Meerschweinchen sind laute,
lustige Gesellen, die im Familienverband spielen, fressen, schlafen, und vor
allem: sich unterhalten, indem sie quiekende Laute ausstossen.
Kaninchen aber verständigen sich durch eine Fülle von körperlichen
Gebärden, die ein Meerschweinchen nicht zu deuten weiss.
Das laute, für Kaninchenohren störende Gequieke des vorgesetzten Spielkameraden
weiss hingegen das Kaninchen nicht zu interpretieren und reagiert durch entsprechende
Hormonausschüttung gestresst.
Kaninchen stossen nur bei
der Paarung, Aggression und bei grosser Angst Laute aus, daher rührt es,
dass "[...] so manches Kaninchen, wenn das Meerschweinchen seinen Halter
pfeifend begrüsst, duckt oder in die Ecke drückt...Das Meerschweinchen
hingegen, das weder vom Kaninchen noch vom Menschen seine Lautäusserungen
erwidert sieht, verliert bei einer solchen Haltung mit der Zeit viel seines
"Vokabulars" und damit seines natürlichen Verhaltens."
(Aus: RODENTIA, Nov/Dez Ausgabe '02: "Kaninchen und Meerschweinchen-ideale
Partner?" von Iris Küster)
Im "besten" Fall hat man nun ein unausgeglichenes Kaninchen daheim,
das sich verbiegt, indem es versucht, die für es unnatürlichen und
unregelmässigen Ruhezeiten des Meerschweinchens anzunehmen.
Der ständige Stress, die uninterpretierbaren Laute und für
Kaninchenohren schmerzhaften Geräusche, die Aufforderungen zum Spielen
in den Ruhephasen aber können bei dem Kaninchen statt zur Resignation auch
zur Aggression führen, die dann für das Meerschweinchen sogar
lebensbedrohlich werden kann.
Der Grund:
Ein Kaninchen ist meist um einiges grösser als ein Meerschweinchen, und
hat in jedem Fall ausgebildete Sprungmuskulatur.
Wird das Kaninchen nun aggressiv, weil seine Ruhe gestört ist, oder weil
es keinen adäquaten Lebenspartner hat, der sein vorhandenes Bedürfnis
nach Sexualität erfüllt, kann ein Kaninchen ganz ordentlich zubeissen,
was schon vielen Meerschweinchen das Leben oder die Gesundheit gekostet hat.
Das Fachmagazin "RODENTIA"
schreibt in der Nov/Dez `02-Ausgabe zu dieser Problematik in Bezug auf potentielle
Aggressionen eines Kaninchens gegenüber einem Meerschweinchen: "Geht
es glimpflicher aus,
so leben die Tiere ständig gestresst und einsam nebeneinander, eine Kommunikation
zwischen den Arten ist kaum möglich."
Berammelt ein Kaninchen, unabhängig von dessen Geschlecht, aus Paarungstrieb oder Dominanzverhalten, das Meerschwein sogar, wird es wirklich heikel: Kaninchen packen sehr fest zu, damit der "Partner" keine Chance zur Flucht hat. Dabei brach so manche Meerschweinchenrippe.
Der Nackenbiss, den
Kaninchen ausüben, um den Eisprung der Partnerin auszulösen, kann
Meerschweinchen das Genick brechen oder zumindest schwer verletzen.
Das wesentlich kleinere und leichtere Meerschweinchen wird, wenn nicht sofort
ernstlich verletzt, zumindest auf lange Sicht gesehen Rückenschäden
davontragen.
Weibliche Kaninchen werden
im Laufe des Jahres mehrmals scheinträchtig und bauen aus Ihren
ausgezupften Körperhaaren ein Nest für den vermeindlichen Nachwuchs.
In dieser Zeit reagieren Häsinnen besonders stressanfällig und schützen
das Nest vor Eindringlingen, auch gegen das in der Wohngemeinschaft lebende
Meerschweinchen, welches wiederum durch Bisse verletzt oder getötet werden
kann.
Ein weiterer, weniger augenscheinlicher
Grund für die ungünstige Konstellation Meerschweinchen/Kaninchen ist
die unterschiedliche Ernährung:
Kaninchen synthetisieren ihr Vitamin C aus der Nahrung selber und müssen
daher keines aufnehmen, im Gegenteil: enthält das Futter zuviel Vitamin
C, muss dieses aus dem Körper ausgeschieden werden, und löst sich
in Wasser, was zu Durchfall führt.
Meerschweinchen hingegen muss eine vitaminreichere Kost geboten werden, um den
Bedarf an Vitamin C zu decken.
Begründung
durch wissenschaftliche Versuche
Wen die Argumente Verletzungsgefahr, Aggressionen, Verständigungsbarrikade, Lebensweise, Tagesrhythmus, Ernährung noch nicht überzeugen, der wird vielleicht ein Einsehen haben, wenn man die Tiere direkt selber "befragt", mit wem sie leben möchten. Neben Erfahrungsberichten, möchte ich auf eine Studie verweisen, auf welche die Zeitschrift "RODENTIA" in besagter Ausgabe hinweist, die von Wissenschaftlern (HESSE&SACHSER, 1996) zu dem Thema "Ist die Gemeinschaftshaltung von Kaninchen und Meerschweinchen eine zu empfehlende oder zu vermeidende Haltungsform" durchgeführt wurde.
Der Versuchsaufbau gestaltete
sich wie folgt: Zwei identisch eingerichtete Käfige wurde durch einen schmalen
Tunnel verbunden, der es nur dem in dem Versuch eingesetzten jungen Meerschweinchen
erlaubte, von einem Käfig zum anderen zu wechseln.
In den zweiten Käfig setzte man im ersten Versuch ein erwachsenes Meerschweinchen,
und bestimmte anhand von Lichtschrankenmessung, wie oft und wie lange das Jungtier
den älteren Artgenossen, der ihm bis dato fremd war, besuchte, und als
Sozialpartner wählte, und somit einer eigenen Unterkunft vorzog.
Im zweiten Versuch setze man in einen der Käfige statt eines erwachsenen
Meerschweinchens ein Zwergkaninchen, und bestimmte erneut die verbrachte Zeit
des jungen Meerschweinchens bei dem artfremden Tier.
Hier schwankten die Ergebnisse um den Mittelwert von 40 % verbrachter Zeit beim
Kaninchen (sehr unterschiedlich von Meerschweinchen zu Meerschweinchen), im
Gegensatz zu 80% Durchschnittszeit eines Meeris bei seinem älteren Artgenossen,
wobei auffällig war, dass die jungen Meerschweinchen allesamt recht viel
Zeit bei dem Artgenossen verbrachten, und somit die Ergebnisse konstanter ausfielen.
Bei dieser Versuchsreihe wurden die Tiere auch durch Videoüberwachung auf ihr Sozialverhalten gegenüber dem Vorgesetzten Partner untersucht, mit eindeutigen Ergebnissen, die "RODENTIA" aufführt:
"[Die Meerschweinchen flohen]... wesentlich häufiger vor dem Zwergkaninchen als vor dem grösseren Meerschweinchen, und das meerschweinchentypische 'Erstarren', eine Schreckreaktion, wurde bei mit Kaninchen vergesellschafteten Meerschweinchen signifikant häufiger festgetsellt."
Eine weitere Beobachtung, die nicht unrelevant ist:
"Die mit Zwergkaninchen zusammen gehaltenen Meerschweinchen zogen sich in aller Regel zum Ruhen in den Einzelkäfig zurück - wahrscheinlich, weil sie im Gemeinschaftskäfig ständig von Zwergkaninchen aufgrund der unterschiedlichen Tagesrhythmik gestört wurden."
Als Fazit fasst "RODENTIA" es treffend zusammen: "Meerschweinchen und Kaninchen sollten niemals alleine gehalten werden, allerdings ist nur ein Artgenosse auch der Sozialpartner, den das Tier braucht!"
AUTORIN: © by Heike Drapatz
Quellen:
Kleinsäuger-Fachmagazin
"RODENTIA", Ausgabe Nov/Dez `02
Zitate entnommen der Artikel:
-"Meerschweinchen und Kaninchen" von Christian Ehrlich,
-"Kaninchen und Meerschweinchen-ideale Partner? Eine Geschichte voller
Missverständnisse..."
von Iris Küster
-"Klarer Wahlausgang: Wissenschaftler befragten Meerschweinchen zum
Thema Kaninchen"
von Christian Ehrlich
Wer sich für für den kompletten, mehrseitigen Artikel in der "RODENTIA"
zu dem Thema interessiert, kann die (u.a.) besagte Nov/Dez '02-Ausgabe nachbestellen,
unter www.ms-verlag.de